Bioenergiedörfer – Bausteine einer nachhaltigen Energieversorgung
Bioenergiedörfer leisten im ländlichen Raum einen wichtigen Beitrag für eine CO2-arme Energieversorgung und eine eigenständige Regionalentwicklung. Sie verlieren aktuell aber trotz hoher gesellschaftlicher Akzeptanz an medialer und politischer Unterstützung. Letzteres wird z. B. an den durch das EEG 2014 gesetzten sehr restriktiven Rahmenbedingungen für Bioenergieanlagen deutlich.
Die vorliegende Erklärung wurde im Rahmen der Tagung am 17./18. Juli 2015 anlässlich des 10jährigen Bestehens des ersten Bioenergiedorfs Jühnde entwickelt. Die Unterstützer fordern die politischen Verantwortlichen auf, durch geeignete Maßnahmen den Weg für bestehende und weitere Bioenergiedörfer positiv zu gestalten.
Bioenergiedörfer sind anders
Gemeinschaftliche Energieversorgung: In Bioenergiedörfern werden nicht nur mindestens 100% des Strombedarfs, sondern auch mindestens 50% des Wärme-bedarfs durch erneuerbare Energieträger gedeckt, ein Großteil hiervon auf der Basis von Biomasse. Die gemeinschaftlich geplanten und umgesetzten Energieanlagen befinden sich zu mehr als 50% im Eigentum der Wärmekunden und der Biomasse liefernden Landwirte. Alle Beteiligten sollten Anteile daran besitzen.
Verhältnismäßigkeit des Mais- und Energiepflanzenanbaus: In Bioenergiedörfern wird der Betrieb von Biogasanlagen daran orientiert, die Landnutzung den Charak-teristika der Natur- und Kulturlandschaften vor Ort anzupassen und die Auswirkun-gen auf den Natur- und Artenschutz zu berücksichtigen. Unter dieser Maßgabe wird in einer Region auf maximal 25 % der landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen Mais (einschließlich Futtermais) angebaut. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass der Anteil der für Energiepflanzen (einschließlich z. B. Raps) insgesamt genutzten Ackerfläche in einer Region einen Wert von 25% nicht überschreitet.
Bioenergiedörfer können mehr
Versorgungssicherheit: Bioenergiedörfer können die Versorgung der ansässigen Bevölkerung mit Wärme und Strom (auch für die Elektromobilität) zuverlässig sicherstellen.
Klimaschutz und Ressourcenschonung: Der Einsatz von Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie von nachwachsenden Rohstoffen macht die Energiever-sorgung umwelt- und klimaverträglich und schont begrenzte Ressourcen wie Öl, Gas und Kohle.
Dezentralität: Die dezentrale und verbrauchsnahe Bereitstellung von Endenergie (Strom, Wärme, Kraftstoffe) vermeidet weite Transportwege (Öltanker, Pipelines, Stromtrassen etc.) und die damit verbundenen Risiken (z. B. Tankerunfälle) und gesundheitlichen Gefährdungen (z. B. Elektrosmog). Sie trägt gleichzeitig dazu bei, die Importabhängigkeit bei den Energieträgern zu reduzieren.
Effizienz: Durch Kraft-Wärme-Kopplung lassen sich die eingesetzten Energieträger hocheffizient nutzen. Eine saisonal angepasste Fahrweise der Energieanlagen verstärkt diesen Effekt.
Flexibilität/Regelbarkeit: Biomasse ist gespeicherte Sonnenenergie und kann flexibel genutzt werden. Der Strom aus Bioenergiedörfern lässt sich im Gegensatz zum stark schwankenden Stromangebot aus Wind- und Photovoltaikanlagen entsprechend der im Tagesverlauf variierenden Stromnachfrage bedarfsgerecht bereitstellen.
Regionale Wertschöpfung: Mit der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Bioenergiedörfern werden strukturschwache Regionen gestärkt. Durch die Bereit-stellung der dauerhaft benötigten Biomasse werden dabei die Land- und Forst-wirtschaft nachhaltig unterstützt. Insbesondere in der Landwirtschaft kann das neue Standbein „Anbau von Energiepflanzen“ zu einer Stabilisierung der Einkommen und zu einer Verringerung der Abhängigkeit von den stark schwankenden Preisen auf den (internationalen) Agrarmärkten führen.
Dorfgemeinschaft: Die gemeinschaftliche Umsetzung von Bioenergiedorfprojekten stärkt die Dorfgemeinschaft und erhöht die Identifikation der Bewohner mit dem Ort und der Region. Durch diese eigenständige Regionalentwicklung wird das Leben und Arbeiten auf dem Lande interessanter, wodurch die Landflucht zumindest abge-schwächt werden kann.
Bioenergiedörfer werden gebremst
EEG: Bioenergiedörfer nutzen zumeist Biogasanlagen als Grundlage für die dezen-trale Wärmeversorgung im Ort. Durch das aktuelle EEG 2014 können kaum neue Biogasanlagen gebaut und wirtschaftlich betrieben werden. Bestehenden Biogas-anlagen fehlt eine Perspektive nach dem Auslaufen der EEG-Förderung. Die zu Bioenergiedörfern gehörende Nahwärmeversorgung ist aber auf einen sehr langen Zeitraum ausgelegt. Durch die aktuelle Gesetzgebung ist eine weitere Entwicklung von Bioenergiedörfern nicht möglich.
Preise: Die konventionellen Energieträger sind zu billig, da die durch sie verursachten Umweltschäden (Klimawandel, Endlagerung etc.) nur unzureichend im Preis berücksichtigt werden. Aufgrund der Orientierung der Verbraucher an diesen falschen Preisen sind die Wettbewerbsfähigkeit der Endenergie aus Bioenergiedörfern (aktuell vor allem im Wärmebereich) und damit die langfristige Wirtschaftlichkeit der Projekte gefährdet.
Finanzierung: Aufgrund einer vermeintlich geringen Kreditwürdigkeit von Bioenergie-dorfprojekten ist insbesondere die Finanzierung von Nahwärmenetzen häufig nicht leicht sicherzustellen.
Ehrenamt: Die Umsetzung von Bioenergieprojekten geschieht vor allem in der Start-phase überwiegend auf ehrenamtlicher Basis. Dies kann aufgrund der oft sehr geringen Unterstützung zu einer zeitlichen und fachlichen Überforderung führen.
Bioenergiedörfer stellen Forderungen
EEG: Im Rahmen einer Novellierung des EEG ist eine höhere Förderung von neuen Biogasanlagen mit sinnvollen Wärmekonzepten und nachhaltiger Biomasseerzeugung vorzusehen. Zur Verbesserung der Planungssicherheit dieser langfristig ausgelegten Infrastrukturmaßnahmen sollte der Förderzeitraum für sinnvolle Standorte um weitere 10 Jahre auf insgesamt mindestens 30 Jahre verlängert sowie die Flexibili-tätsprämie für die Spitzenlastfähigkeit von Bioenergieanlagen fortgesetzt werden.
Regionale Stromvermarktung: Zur Förderung der regionalen Vermarktung von Strom sind attraktive Rahmenbedingungen (z. B. bezüglich Netzdurchleitungsgebühr, EEG-Umlage etc.) zu schaffen.
Gestalten statt verwalten: In vielen Kommunen und Landkreisen werden Klima-schutzkonzepte entwickelt, häufig Klimaschutzmanager eingestellt. Durch diese und die relevanten MitarbeiterInnen der Verwaltungen muss verstärkt eine aktive Bera-tung und Unterstützung von Akteuren, die (ehrenamtlich) Bioenergieprojekte oder andere Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien umsetzen wollen, stattfinden.
Anschubfinanzierung: Gerade in der Startphase von ehrenamtlich getragenen Pro-jekten fehlen häufig finanzielle Mittel für Mobilisierungskampagnen, die Moderation von Versammlungen, die Erstellung erster Machbarkeitsstudien etc. Hier sind die Kommunen, die Landkreise und ggf. die Länder gefordert, diese Projekte, die noch über keinerlei Einnahmen verfügen, finanziell zu unterstützen. Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln kann auch dadurch verbessert werden, dass Klimaschutzaktivitä-ten in den Kommunen den Pflichtaufgaben und nicht mehr den freiwilligen Leistun-gen zugeordnet werden.
Kommunale Bürgschaften und Beteiligung: Durch die Übernahme von Bürgschaften und die finanzielle Beteiligung können Kommunen die Kreditwürdigkeit von Bioener-giedorfprojekten fördern und damit sowohl die Kreditaufnahme erleichtern als auch die Zinsbelastung senken.
Unterstützung im laufenden Betrieb: Durch die Finanzierung einer fachlichen Unter-stützung, z. B. durch die Landkreise, soll der Beratungsbedarf in ehrenamtlich geführten Gemeinschaftsprojekten gedeckt werden.
Einpreisung externer Kosten: Durch geeignete Instrumente ist sicherzustellen, dass sich die durch die fossilen Energieträger verursachten Kosten für Umweltschäden in deren Preisen widerspiegeln und die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden.
1.000-Dörfer-Programm: Es gibt bundesweit mittlerweile über 8.000 Biogasanlagen, von denen viele aufgrund von Fehlsteuerungen im alten und neuen EEG keine sinnvolle Wärmenutzung haben. Durch das Auflegen eines 1.000-Dörfer-Programms sollen vor allem Nahwärmenetze und Satelliten-BHKW deutlich besser gefördert wer-den, um die bestehenden Biogasanlagen zu Bioenergiedörfern entwickeln zu können und die lokale Wärmevermarktung zu stärken. Mit Hilfe dieser technisch einfach zu realisierenden Effizienzsteigerungen, die überwiegend Ölheizungen ersetzen, kön-nen beachtliche CO2-Senkungspotenziale erschlossen werden.
Jühnde / Göttingen im Oktober 2015
Initiatoren:
Bioenergiedorf Jühnde eG
Institut für Bioenergiedörfer Göttingen e.V.
Interdisziplinäres Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen
Erstunterstützer:
solarcomplex AG, 78224 Singen
Bioenergie Wollbrandshausen-Krebeck eG, 37434 Krebeck
Nahwärmenetz Altenmellrich GbR, 59609 Anröchte
Bürger-Energie-Niedereschach eG, 78078 Niedereschach
Landwirtschaftliche Dienstleistungen und Biogas Hermannshof GmbH, 18317 Saal
BioEnergieDorf Willersdorf eG, 91352 Hallerndorf
BioEnergie Buch eG, 73540 Heubach
Bioenergiedorf Döllschütz/Pretschwitz, 07616 Rauschwitz
Abtei-Energie-GmbH, 07616 Rauschwitz
Energiedorf Wildpoldsried, 87499 Wildpoldsried
CUBE Engineering GmbH, 34119 Kassel
Bioenergiedorf Oberrosphe eG, 35083 Wetter
Bioenergiedorf Heubach eG, 36148 Kalbach
Stadt Meßkirch, 88605 Meßkirch
Bioenergiedorf Sohlingen eG, 37170 Uslar
Energiegenossenschaft Reichenbach eG, 88427 Reichenbach
Bürger-Energie Großeicholzheim eG, 74743 Großeicholzheim
Energie aus Bürgerhand Hägelberg eG, 79585 Steinen-Hägelberg